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Hansestadt Salzwedel - Die Baumkuchenstadt
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veröffentlicht am: 15.06.2015

3. Oktober 2013 - An diesem Morgen war vor Lampedusa nur Schmerz!

Fünf Sprecherinnen und Sprecher der Projektgruppe "Unser Herz schlägt auf Lampedusa" verliehen Überlebenden, Helfern, Fischern, Touristen und Behördenvertretern ihre Stimme und brachten am 13.06.2015 die Tragödie von Lampedusa unter das Dach der Salzwedeler Bibliothek

Sprecherinnen und Sprecher der Projektgruppe "Unser Herz schlägt auf Lampedusa"

Oberbürgermeisterin Sabine Danicke erinnert in ihrer Begrüßung an die Tragödie vor Lampedusa

Angelo De Mitri, Günter Haß, Dr. Antonio Umberto Riccò und Moderator Martin Burgdorf

Das Publikum beteiligt sich an der Diskussion

Autor Dr. Riccò und Moderator Burgdorf

Salzwedel ist weit entfernt von Lampedusa. In Luftlinie verrät der Entfernungsrechner eine Distanz von 1.935 Kilometern.
Die zu Italien gehörende Mittelmeerinsel Lampedusa, eigentlich in Erwartung auf sonnenhungrige Touristen, wurde in den vergangenen Jahren als "Außenposten der Europäischen Union" ununterbrochen das Ziel von Flüchtlingen. Diese starten von der nahen libyschen Küste in überfüllten und kaum seetauglichen Booten und Schiffen, nachdem sie an skrupellose Schlepper tausende von Dollar für diese Flucht bezahlt haben. Unzählige von ihnen zahlen jedoch einen noch höheren Preis: ihr Leben!

So geschah es auch am 3. Oktober 2013, als im Morgengrauen ein mit 545 Flüchtlingen überladener Kutter vor Lampedusa sinkt und 366 Menschen ertrinken müssen. Der Italiener Dr. Antonio Umberto Riccò hat nach dieser Tragödie Überlebende, Helfer und Behörden befragt und daraus eine szenische Lesung konzipiert, deren 65. Auflage am Abend des 13.06.2015 in der Stadt- und Kreisbibliothek Salzwedel zu erleben war.
Siebzig Minuten, in denen Tourismusfotos von Lampedusa auf Bilder von Flüchtlingen überblenden, bei denen schon fast zynisch anmutender Italo-Schlager auf nahegehende und melancholische Klänge wechseln (eindrucksvoll komponiert von Francesco Impasato), bei denen fünf Sprecherinnen und Sprecher nur im Licht von Schreibtischlampen getaucht die Charaktere der Ereignisse zu Wort kommen lassen.
Und Lampedusa ist in diesen siebzig Minuten der Lesung hier nicht mehr fast zweitausend Kilometer entfernt.

Überlebende aus Eritrea schildern, dass nach dem Kentern des Kutters jemand eine Decke angezündet habe, damit italienische Fischerboote auf die Flüchtlinge aufmerksam würden: "Einige verbrannten. Wir versuchten, das Feuer mit Meerwasser zu löschen. Ich erinnere mich an Schreie, dann wurde ich ohnmächtig."
Carmine, der Optiker, Vito der Fischer und Marcello, der Tourist - die als eine der Ersten an der Unglücksstelle erscheinen - erinnern sich an "Öllachen, leere Schwimmwesten und hunderte von Köpfen, die im Wasser trieben." Zugleich halfen sie den Lebenden aus dem Wasser, wohl wissend, dass ihnen nach italienischem Gesetz darauf Gefängnis droht", "weil sie Flüchtlingen halfen."
Es kommen die Taucher der Guardia di Finanza zu Wort, die das Boot 47 Meter unter dem Meer fanden: "Dutzende von Körpern, manche umarmten sich, manche starrten uns mit aufgerissenen Augen an. Das Gesicht eines kleinen Kindes habe ich immer noch vor Augen."

Und schließlich Giusi Nicolini, Bürgermeisterin von Lampedusa, die anklagend mahnt: "Europa spricht nicht mit mir. Wir sehen hier Menschen ankommen, das restliche Europa zählt sie nur - für Europa sind es `Unpersonen´."

Schwierig, nach diesen siebzig Minuten in eine Diskussion einzusteigen. Die Ergriffenheit im Raum war auch Moderator Martin Burgdorf vom Verein "Miteinander e.V." anzumerken. Neben ihm hatten im Podium der Autor Dr. Antonio Umberto Riccò aus Hannover, der ehemalige Pfarrer Günter Haß aus Salzwedel und Angelo De Mitri vom Kulturverein ausgewanderter Apulier Wolfsburg Platz genommen.  Schnell beteiligte sich auch das Publikum an der Diskussion und "entfernte sich dabei zum Teil weit von Lampedusa". Zu komplex ist das Thema, um in 90 Minuten allumfassend diskutiert werden zu können. Und dennoch waren sich alle Beteiligten darin einig, dass nicht nur der Ruf nach der großen Politik nie verstummen möge, sondern auch die - selbst kleinen - Aktionen vor Ort für die hier ankommenden Menschen auf der Flucht vor Verfolgung und Krieg wichtig sind. Trotz der in den vergangenen Jahren aufgebauten Willkommenskultur, wie es Oberbürgermeisterin Sabine Danicke betonte, bedarf es noch größerer Anstrengungen, um effektiv zu helfen. Angesichts einer steigenden Anzahl von Asylsuchenden - ca. 50 im Monat für den Altmarkkreis - eine große Aufgabe.

Wie nach jeder der vorangegangenen Lesungen wurde auch in Salzwedel von den Besuchern gespendet. So kann das Diakonische Werk Altmark-West in Kürze einen Betrag von 106,12 € für Flüchtlingsarbeit verwenden.

"Ein Morgen vor Lampedusa" - Szenische Lesung mit Musik
Veranstalter vor Ort: Hansestadt Salzwedel in Kooperation mit dem Kulturverein ausgewanderter Apulier Wolfsburg e.V.