"Salzwedel sagenhaft..." Sagen und sagenhafte Geschichten aus Salzwedel
Gesammelt und bearbeitet von Arno Sommerfeld
"Salzwedel sagenhaft...", die Überschrift lässt aufmerken, "sagenhaft", das heißt doch soviel wie erstaunlich. Natürlich, das soll es auch heißen! Salzwedel ist ganz sicher eine erstaunliche Stadt, davon sind die Salzwedeler überzeugt und davon können sich die Gäste immer wieder überzeugen. "Sagenhaft" soll hier aber auch darauf hinweisen, dass Salzwedel viele schöne, auch einige schreckliche, mehr oder weniger bekannte Sagen und sagenhafte Geschichte besitzt. An der Warthe, gegenüber dem Duft- und Tastgarten, werden seit Neuestem einige in sehenswerten "Hütten" anschaulich vorgestellt. Nehmen wir mal an, die Sagengestalten würden einen Kreis bilden und wir erzählen der Reihe nach ihre Geschichten ...
Der Riese Jan Kahle ist der Größte, also müssen wir mit ihm beginnen...
Der Riese Jan Kahle und der schiefe Turm der Marienkirche
Viele Wege führen nach Salzwedel, aber egal aus welcher Himmelsrichtung man sich der alten Handels- und Hansestadt nähert, immer wird man den hohen schiefen Turm der Marienkirche sehen können. Mit Kupferplatten neu eingedeckt und mit Gold verziert strahlt er weithin ins Land.
Aber warum ist er so schief ? Wem hat die Jeetzestadt ihr "schiefes" Wahrzeichen zu verdanken?
In der Altmark gab es einst mehrere Riesen, einer von ihnen, Jan Kahle, lebte mit seiner schönen Frau Seba in einem dichten Wald bei Seeben, wenn er nicht gerade im benachbarten Wendland sein Unwesen trieb. Eventuell war er auch ein heidnischer Wendenfürst, das würde erklären, weshalb er so eine wilde Wut auf christliche Gotteshäuser hatte und ihm besonders die hohen Kirchtürme ins Auge stachen. Vielleicht wollte er aber nur mal ab und an seinen "Riesenspaß" haben...?
Als die Salzwedeler Bürger ihrer Kirche Unserer lieben Frauen, so hieß die Marienkirche vor der Reformation, einen mächtig hohen Helm aufsetzten, so dass der Turm über 85 m hoch aufragte, lief dem Riesen vor Zorn bei diesem Anblick die Galle über. Er nahm wütend einen gewaltigen Stein und schleuderte ihn in Richtung des weithin sichtbaren Turmes, um diesen "Menschenzwergen" zu lehren, wer allein so groß sein durfte! Hätte er getroffen, wäre es dem Turm und der Kirche, ja wohl der ganzen Stadt, schlimm ergangen, aber er war entweder blind vor Wut oder konnte besser werfen als zielen. Der Stein schlug nahe beim Gotteshaus nieder und riss ein mächtiges Loch auf, das später voll Wasser lief und heute als Pfefferteich bekannt ist. Der Luftzug und die Wucht des Aufpralls waren jedoch so stark, dass die alten Bäume schwankten, der Boden bebte und alle Salzwedeler mächtig erschraken. Der neu errichtete Kirchturm hielt den Erschütterungen stand, wurde aber so bewegt, dass er sich krümmte und so schief stehen blieb, wie wir ihn heute noch bestaunen können.
Zuerst waren die Salzwedeler Bürger über diesen Riesenstreich sehr aufgebracht, aber dann stellten sie fest, dass der schiefe Turm ein weithin sichtbares Augenmerk für sich der Stadt nähernde Reisende darstellte und sie freundeten sich mit dem Anblick an. Ja, sie erfanden, um den erfolglosen Steinewerfer zu ärgern, noch andere Geschichten, weshalb der Turm schief steht. So die von der Braut, die keine Jungfrau mehr war, als sie vor dem Traualtar der Marienkirche ihr Jawort gab und der Turm sich deshalb empört krümmte... Selbst heute, fragen sie mal Gästeführer der Stadt, kommen neue Geschichten hinzu.
Auch der Riese Jan Kahle machte weitere "Geschichten", und bewies noch öfter seine wilde Wut und starke Wurfkraft, aber auch seine Unfähigkeit, zu treffen, so ...
Wie Seeben zu seinem Namen kam
... in Kuhfelde, wo er nur Kühe auf der Weide traf, daher wohl auch der Name des Dorfes. Schließlich hatten sich die Salzwedeler Bürger, der Markgraf und seine Leute zusammen getan und wollten ihm endlich eine Lehre erteilen. Es gelang ihnen auch tatsächlich seine Frau Seba in einen Hinterhalt zu locken, sie zu entführen und in das sichere Verlies des Burgturmes einzusperren.
Sehr sehr lange suchte der Riese seine Frau, konnte sie aber nirgends finden. Dann war er wohl irgendwann der ewigen Suche und Fehde gegen die Menschen müde geworden und ließ alle Vorsicht außer Acht. Er nahm eine Einladung des Salzwedeler Markgrafen an und erschien auf der Burg zum Versöhnungsmahl. Dabei musste er seine Waffen abgeben. Das wurde ihm zum Verhängnis, denn plötzlich stürmten von allen Seiten Krieger auf ihn ein, nahmen ihn, trotz heftigster Gegenwehr, gefangen und warfen ihn in das ausbruchsichere Burgverlies.
Wer beschreibt sein Erstaunen, als er dort seine schon verloren geglaubte Frau sah! Erst war er froh, doch dann packte ihn eine Riesenwut, so dass er am liebsten die Wände eingerannt hätte. Da das Burgverlies aber über 3 m starke Mauern besitzt, hätte er sich dabei bestimmt selbst seinen harten Riesenschädel eingeschlagen.
Jan Kahle sann lange auf Rache und schließlich gelang ihm die Flucht mit Hilfe eines guten Freundes. Eilig sammelte er ein Heer, zog gegen die Burg und befreite seine Frau. Sie war aber schon so schwach, dass sie zu seinem großen Schmerz auf der Flucht in Richtung Westen in seinen Armen verschied.
Den heidnischen Riesen schien dieser schwere Verlust total durcheinander gebracht zu haben, denn er beerdigte sie und soll dann auf ihrem Grab eine christliche Kirche errichtet haben. Daneben siedelte er noch einige seiner Mitstreiter an und so entstand der Ort Seba, aus dem später Seeben wurde.
Jan Kahle selbst wurde später in der Nähe von Seeben im Wald begraben und noch lange kannte man in der Gegend den Hügel, "den groten Hansen siin graft" genannt, der die Grabstätte des Riesen sein sollte.
Lassen wir den Riesen in Frieden ruhen, auf der Burg zu Salzwedel passierten aber noch schrecklichere Dinge, ein Markgraf...
Der schändliche Verrat der Gastfreundschaft
... Gero, der auf der stolzen Salzwedeler Burg residierte, war bemüht, die heidnischen Wenden zu besiegen, die zu seiner Zeit noch die christliche Altmark bedrohten. Da er sie im direkten Kampfe nicht immer treffen konnte, wandte er schließlich eine schändliche List an und ließ dreißig ihrer Fürsten zum Gastmahl einladen. Sie ahnten nichts Böses, und sagten ihr Kommen an, hatte es doch schon lange keine kriegerischen Auseinandersetzungen mehr gegeben.
Wie üblich bei so einem Gastmahl legten die Gäste vor Betreten des Saales ihre Waffen ab und setzten sich erwartungsvoll an die gedeckten Tische. Sie hofften, mit dem Markgrafen bei dieser Gelegenheit endlich auch eine friedliche Einigung der immer wieder aufflackernden Feindseligkeiten aushandeln zu können. Das Festmahl mundete allen, Bier und Wein schmeckten vorzüglich, und sie überlegten sich gerade die rechten Worte, um mit Gero zu sprechen, als plötzlich, auf dessen Zeichen hin bewaffnete Knechte und Burgmannen hereinstürmten und mit ihren Schwertern ein grauenvolles Blutbad unter ihnen anrichteten. An Widerstand war nicht zu denken und schon in kürzester Zeit war die Mordtat vollbracht. Die Wendenfürsten lagen in ihrem Blut, das überall zu sehen war, auf dem Boden und an den Wänden. Das Mauerwerk färbte sich rot davon und jeder Versuch, die Blutflecken später abzuwaschen, misslang. Diese Blutflecke, sichtbare Zeichen des schändlichen Verrates, des schlimmen Bruchs der Gastfreundschaft, waren noch Jahrhunderte lang zu sehen und mahnten und erinnerten an die grausige Freveltat.
Einige sagenhaften Zeichen überdauerten ebenfalls lange, man könnte heute noch nach ihnen suchen, wie die Sage von den hilfreichen Engeln uns überliefert. Denn ...
Himmlische Hilfe oder Engel auf der Stadtmauer
... die reiche Handels- und Hansestadt Salzwedel wurde einst von einem Grafen Hoyer hart belagert und die Bürger wehrten sich lange mit aller Kraft.
Doch vielleicht wären sie trotzdem unterlegen, wenn nicht hilfreiche Engel auf der Stadtmauer hin und hergelaufen wären und die Brandpfeile im Flug aufgefangen hätten. So konnten diese nicht bis in die Stadt fliegen und die Häuser, die aus Holz gebaut und zum Teil noch mit Stroh gedeckt waren, entzünden. Als die Belagerer sahen, dass ihre Waffen keine Wirkung zeigten gaben sie schließlich auf. Der Heerführer erboste über diese "himmlische Abwehr" und die erfolglose Belagerung so sehr, dass er sein Schwert erhob und schrie: "Soll ich die Stadt nicht gewinnen, so gebe Gott, dass ich in diesen Stein haue wie in einen Butterweck." Als er nun zuschlug, gab der Stein nach als ob er ganz weich wäre und sein Schwert fuhr tief hinein. Wer den Stein findet, er soll in der Nähe von Tylsen liegen, könnte heute noch die sagenhafte Kerbe bestaunen.
Die hilfreichen Engel auf der Stadtmauer wurden schon lange nicht mehr gesehen, aber den Karlsturm, der gerade eine wohlgestaltete "Kopfbedeckung" erhalten hat, kann man schnell finden. Er war Teil einer Toranlage und...
Die mörderische Jungfrau im Karlsturm
... ehedem soll in diesem Turme im tiefen dunklen Kellergewölbe eine spanische Jungfrau gewesen sein, welche nach Art der französischen Dublietten, die unter Richelieus Ministerschaft als Ersatzhenker dienten, die herabgestoßenen Todesopfer in tausend Stücke schnitt. Da dieser Hinweis im Originaltext keine weiteren Bemerkungen enthält, sind sagenhaften Auslegungen Tür und Tor geöffnet ...
Kann mit einer "spanischen Jungfrau" eventuell nur ein Folterinstrument gemeint sein, das aus Eisen gefertigt war und wie ein Schrank aufgeklappt werden konnte? Im Innern wurde es mit spitzen Nägeln ausgestattet, die sich dem zum Tode Verurteilten, der darin eingesperrt wurde, überall durch den Körper bohrten. Wohl doch nicht, denn Historiker bezweifeln die Existenz dieses schrecklichen Instrumentes. Andererseits, warum sollte eine so friedliebende Stadt wie Salzwedel einen Bedarf an solchen lebensgefährlichen "Jungfrauen" gehabt haben? Sie hatte treue Wächter, die aufpassten, dass niemand mit bösartigen Absichten in die Stadt kommen konnte, auch nicht, wenn er bloß den Torzoll nicht entrichten wollte, wie ...
Wie ein schlauer Bauer den Stadtwächter reinlegte
... der Bauer, der das trotzdem schaffte. Dies soll eine wahre Geschichte sein, also keine Sage. Obwohl man sagt, dass Sagen ja oft einen wahren Kern besitzen... Sagenhaft ist sie jedenfalls!
In der Steintorstraße in Salzwedel lebte einst ein fleißiger Bauer, der einmal auf dem Heimweg nach der schweren Feldarbeit außerhalb der Stadtmauern Pferdeäpfel fand und sie in einen Sack auflas. Dadurch verpasste er das Feierabend läuten und das Steintor war bereits geschlossen. Kräftig zog er an der Torklingel und es dauerte eine Weile, bis sich das Tor öffnete.
Brummend ließ der Torwächter ihn eintreten, verlangte aber, um sich für die Ruhestörung zu rächen, oder eventuell irgendeinen Grund für Zoll- oder Steuerabgaben zu finden, dass er seinen gefüllten Sack in der Wachstube entleeren solle.
Der Bauer lächelte nur und schüttete den Sack aus. Naserümpfend und schimpfend verlangte der Wächter sogleich, dass er den "duftenden" Inhalt gleich wieder einsammeln sollte, aber das habe er nicht verlangt, lachte der Bauer und eilte davon.
Einige Zeit später schlachtete der Bauer auf seiner Weide heimlich ein Kälbchen und um die hohe Schlachtsteuer zu sparen, steckte er das Tier in einen Sack und ging wieder spät zum Stadttor zurück. Ärgerlich ließ ihn der Wächter ein, aber als der Bauer sich anschickte, den Sack wieder zu entleeren, fragte der Wächter erst vorsichtig, was denn drin sei. "Diesmal Kuhfladen", gab der Bauer ihm Bescheid. "Verschwinde!" rief der Wächter wütend, denn er hatte die Pferdeäpfel noch nicht vergessen.
So konnte der schlaue Bauer sein Kälbchen nach Hause bringen, ohne die Steuer bezahlen zu müssen und ohne dafür eine Strafe zu bekommen. Doch manchmal muss Strafe einfach sein, wie folgende Sage uns beweist. Einst lebte ...
Der bestrafte Meineidige der Neustadt Salzwedel
... in der Neustadt Salzwedel, die 1247 vor den Mauern der Altstadt gegründet worden war, ein Bürger, der sich fünfzig Dukaten borgte. Oder Taler, jedenfalls fünfzig Geldstücke, so überliefert es die Sage. Abgesprochen und mit Handschlag wurde besiegelt, dass er diese Schuldsumme nach einigen Monaten wieder zurückzahlen sollte. Doch da die Zeit der Rückgabe verstrich, und er keine Anstalten machte, die Absprache einzuhalten, forderte der Gläubiger ihn auf, seine Schuld zu begleichen. Wie groß war jedoch sein Erstaunen, als er hörte, dass er das Geld doch schon längst zurück erhalten hätte!
Das konnte doch nicht wahr sein! Er versuchte es noch einmal im Guten, doch erhielt er wieder die gleiche Antwort. Da blieb ihm in seiner Ratlosigkeit nichts anderes übrig, als zum Gericht zu gehen und den Schuldner zu verklagen.
Als es zur Verhandlung kam, bat der Angeklagte den Kläger, einmal kurz seinen Spazierstock zu halten und dann schwor er, dass er unschuldig sei und das Geld bereits zurück gegeben habe. Was sollte der Richter machen, der Schwur galt und er ließ ihn frei. Der Gläubiger wurde schief angesehen und war noch mehr ratlos und überaus wütend.
Doch die Gerechtigkeit kam bereits angefahren - als der Betrüger zufrieden nach Hause gehen wollte, kam ihm plötzlich mit hoher Geschwindigkeit ein Pferdewagen entgegen. Die Tiere waren scheu geworden und ehe er ausweichen konnte, rannten sie ihn um und er wurde von den Rädern erfasst. Nach kurzer Zeit verstarb er qualvoll noch am Unglücksort.
Bei dem tragischen Unfall war sein Stock ebenfalls unter die Räder gekommen und zerbrochen. Da rollten die fünfzig Taler (oder Dukaten) heraus, die er geschickt darin verborgen hatte. Damit hatte er ja sogar, als er ihn im Gericht dem Gläubiger zum Halten gegeben, die Wahrheit gesprochen! Trotzdem war es ein hinterlistiger und böser Streich und als der "Meineidige der Neustadt zu Salzwedel" ist er allen bekannt geworden.
In der Katharinenkirche der Neustadt Salzwedel soll früher noch ein Bild vom Meineidigen zur Warnung für alle Bürger zu sehen gewesen sein, aber im Laufe der Jahrhunderte verblasste es wohl und verschwand gänzlich.
Gänzlich verschwunden sind heute auch Einhörner, diese sagenhaften Wunderwesen, die einst sogar noch in der Nähe von Salzwedel zu finden waren, wie die nächste Sage berichtet.
Das hilfreiche Wundermittel
In der Altstadt Salzwedel erkrankte einst ein Junge an einer unbekannten Krankheit und es ging ihm von Tag zu Tag schlechter. Die Eltern baten verzweifelt viele Ärzte um Hilfe, aber keiner wusste Hilfe. Obwohl die Mutter keinen Gottesdienst verpasste und um das Leben ihres Kindes betete, änderte sich der böse Zustand des Kindes nicht. Er war in eine Ohnmacht gefallen und schien kaum noch zu leben. Schließlich bat sie den ehrwürdigen Magister Prätorius (den gab es wirklich !) um Rat und der wies sie erst auch nur auf festes Gottvertrauen hin, als sie aber weinend rief, dass sie schon alles versucht hätten und keine Hilfe zu sehen sei, bekam er Mitleid und offenbarte ihr ein uraltes Geheimnis.
Nur ein Wundermittel könne noch helfen, und zwar das goldene Horn eines Einhorns. Das sei in der Lage Gifte abzuwehren und Krankheiten zu besiegen. Dazu muss eine keusche und mutige Jungfrau gefunden und mit Musik das Tier angelockt werden. Die Jungfrau fand sich schnell und es mutete wie ein Wunder an, als man im Stadtforst auch gleich die Fährte eines Einhorns ausmachte. Viel Volk, die alle helfen wollten, zog mit Gesang und Musik und festen Stricken in den Wald. Plötzlich tauchte tatsächlich ein Tier mit einem Horn auf der Stirn auf und näherte sich zögernd. Zur Jungfrau fasste es sogleich Vertrauen, kniete sich vor ihr ins Gras und ließ sich streicheln. Schweigend verharrten alle, um das Wunder nicht zu stören. Schließlich legte das Tier sogar seinen Kopf mit dem goldenen Horn in den Schoß des Mädchens und schlief ein. Da fesselten zwei mutige Männer hastig das Tier mit Stricken und legten es außerdem noch in Eisenketten. Die Jungfrau aber hatte Mitleid mit dem wunderschönen Einhorn, weinte und eine große Träne fiel auf seinen Kopf. Da erwachte es und spürte die Fesseln. Mit wildem Schrei versuchte es sich zu lösen, die Stricke rissen, aber die Ketten hielten stand. Da bäumte sich das Tier erneut hoch auf und auch die eisernen Fesseln sprangen auseinander. Wie ein Blitz verschwand es dann im Dickicht.
Doch was war das? In den Ketten hing ein goldenes Horn! Es musste bei dem Kampf abgebrochen sein. Schnell holte man den Jungen und er musste das Wunderhorn berühren. Tatsächlich genas er wieder und alle, die dabei waren, glaubten an ein Wunder Gottes.
Ganz ohne ein Wunder, nur mit Ausdauer, erlangte einst der Schulze zu Brietz großen Reichtum, als er ...
Der Markgraf und die schöne Brietzer Schulzenfrau
... sich mit einem Markgrafen gütig verständigte. Die Markgrafen auf der Burg zu Salzwedel hatten nicht immer nur ihre Nordmark (erst später ab 1304 Altmark genannt) zu verteidigen, manchmal nahmen sie sich auch Zeit, ihre weiten Besitztümer anzuschauen. Dabei fiel einem von ihnen, der Name ist nicht überliefert, die Schulzenfrau zu Brietz auf, einem Dorf nahe der Stadt, die ein besonders schönes Weib war. Mit Versprechungen und Geschenken schaffte er es wohl, sie für sich zu gewinnen und heimlich trafen sie sich dann des Öfteren, wenn ihr Mann nicht da war, in ihrem Hause.
Einmal geschah es nun, dass ihr Gemahl, der Dorfschulze, sie dabei doch überraschte. Das war verständlicherweise dem Markgrafen gar nicht Recht und er bat den Schulzen, von dem er wusste, dass der gierig auf jede Handvoll Besitz war, eine Viertelstunde lang fortzugehen und in dieser Zeit ein Stück Wald aus dem Salzwedeler Stadtforst zu umrunden, das ihm dann rechtens für alle Zeit gehören sollte. Der Schulze, erfreut über dieses in seinen Augen großzügige Angebot, vergaß sofort, was er gerade alles so gesehen hatte, und eilte hastig davon. Der Markgraf und die Schulzenfrau konnten sich wieder ungestört ihrer liebevollen Unterhaltung widmen...
Als nun die Zeit wie im schnellen Lauf verging und der atemlose Dorfschulze keuchend ins Haus trat, war er dem Markgrafen doch noch zu früh gekommen. Er überredete daher den habgierigen Schulzen leicht, sich noch einmal unter den gleichen Bedingungen auf den Weg zu machen, um seinen "laufend" erworbenen neuen Reichtum noch zu vermehren, und schon verschwand der wieder eilig in Richtung Waldgebiet. Der Markgraf sah ihm nicht lange hinterher ...
So kam es, dass ein nicht geringer Teil des Salzwedeler Stadtforstes an den Brietzer Schulzenhof überschrieben wurde und für alle Zeiten auch seinen Nachkommen als rechtschaffen erworbener Besitz gehörte. Weniger rechtschaffen wollte ...
Gottesurteil für einen Elternmörder
... Dietrich Schulze, ein sonst eigentlich unbescholtener junger Kaufdiener aus der Neustadt Salzwedel, zu Geld kommen und ermordete am 15. April 1614 unter einem dunklen Torwege in der Nähe der Nicolaikirche seinen Vater mit vier und seine Mutter mit drei tiefen Messer- oder Degenstichen. Er wurde gefasst, zum Tode verurteilt und bereits drei Wochen später, am 4. Mai wurde das Urteil vollzogen. Diese schreckliche Tat geschah wirklich, sie ist in Hoppes "Soltquellensien" nachzulesen. Dabei soll er einer unbestätigten Überlieferung nach mit dem Hinweis, dass er doch jetzt eine arme Waise sei, die Richter um Gnade angefleht haben. Die rechte Hand, mit der er die schreckliche Mordtat begangen hatte, wurde ihm zuerst abgehackt. Der Sage nach soll diese abgehauene "Mörderhand" noch drei Tage lang stark geblutet haben und so ein eindeutiges Zeichen, sprich Gottesurteil, dafür gewesen sein, dass er die Mordtat tatsächlich begangen hatte und die Strafe deshalb auch verdient und gerechtfertigt war. So wurde er mit glühenden Zangen am ganzen Körper schmerzhaft bis auf die Knochen gezwackt und anschließend auf einer Schleife zur Gerichtsstätte gezogen und gerädert. Mit Sicherheit überlebte er die grausame Tortur nicht.
Eine schlimme Geschichte, sicher hätte Dietrich Schulze nicht mal bei den Mönchen im Perver Hilfe bekommen, die neben der einst mächtigen Klosterkirche zum Heiligen Geist (St. Spiritus) lebten, ...
Die sichere Freistatt in der Heilig-Geist-Kirche
... von der heute leider nur noch der umgebaute geschlossene Chor als Kapelle zu sehen ist. Das Kloster der Mönche, es waren Augustiner-Chorherren, stand nahe der Amtsstraße, an der heutigen Klosterstraße. Der architektonisch wertvolle, in Backstein ausgeführte Rundbau der ehemaligen mächtigen Stiftskirche musste leider 1792 wegen Baufälligkeit abgerissen werden.
Eine Sage weiß zu berichten, dass sich im Kloster zum Heiligen Geist einst ein sogenanntes Freihaus befand, eine Freistatt, ein sicherer Ort für Flüchtlinge, und zwar konnten sich hier Verfolgte in den zischen den Strebepfeilern angebauten Hüttchen, kleinen Verstecken, ohne Angst um ihr Leben verbergen und längere Zeit mit Hilfe und Unterstützung der barmherzigen Mönche, aushalten.
Wie schnell verschwindet selbst so eine nachahmenswerte Geschichte aus unserem Gedächtnis, man braucht da gar nicht bis zu den alten Römern zurückgehen, die die Hansestadt Salzwedel vielleicht einst ...
Der Name der Stadt Salzwedel
... gegründet haben. Der Name der Hansestadt Salzwedel hatte nämlich im Laufe der Geschichte verschiedene Deutungen, die älteste, "Salzquelle", hielt sich sehr lange. Später kam "Sonnenhaus" ("wedel" gleich Haus) dazu und noch später, nach Erklärung des Wortteils "wedel" als Furt und Übergang, Salzfurt. Das "Salz" kam von der bekannten Salzstraße, die von Lüneburg nach Magdeburg über den Fluss Jeetze führte. Es gibt aber auch noch eine, - zugegeben sagenhafte - , Namenserklärung. Der römische Kaiser Julius Cäsar soll nämlich einer Sage nach im eroberten Germanien zu Ehren der sieben bekannten Planeten (seiner Zeit) sieben Städte erbaut haben, nämlich Merseburg zu Ehren des Mars, Lüneburg zu Ehren des Mondes (Luna), Magdeburg zu Ehren der reizenden Venus (Magd-Mägdelein) und Salzwedel (damals Soltwidele) zu Ehren der lebensspendenden Sonne (Sol). Damit würde die Hansestadt Salzwedel eigentlich "Sonnenstadt" heißen und somit "sagenhaft" an Bedeutung gewinnen.
Einst soll in Salzwedel auch ein Sonnentempel römischer Bauart gestanden haben, der diese Geschichte bestätigt hätte, wenn er nicht, der Überlieferung nach, von Karl dem Großen zerstört worden wäre.
Diese "römische" Deutung des Namens Salzwedel galt unter den Geschichtsschreibern lange Zeit als zutreffend und wurde immer wieder überliefert. Sollte uns also nicht zu denken geben, dass man bei archäologischen Untersuchungen im Stadtgebiet sogar römische Scherben fand?
Zu denken sollte uns auch die nächste Sage geben, ein lasterhafter Lebenswandel kann nie gut enden. In Salzwedel ...
Spuk in der Tischlerwerkstatt
... lebte einst ein fleißiger Tischler, der nur einen einzigen Sohn hatte. Dieser brachte den Eltern jedoch keine Freude, im Gegenteil, er bereitete ihnen nur Kummer und schweres "Herzeleid". Trotz vieler guter väterlicher Ermahnungen und heißer Muttertränen ließ er nicht ab von einem lasterhaften Lebenswandel. Statt ehrlich und rechtschaffen in der Werkstatt zu arbeiten, vergnügte er sich lieber in den zahlreichen Gasthäusern der Stadt, trank viel zu viel Soltmann, das bekannte Salzwedeler Bier, und kam manchmal gar nicht nach Hause, weil er sich noch mit liederlichen Dirnen eingelassen hatte.
Doch wie so oft im wirklichen Leben, die gerechte Strafe folgte bald! Es dauerte nicht lange, und er wurde in Folge seines verderblichen Lebenswandels so schwer krank, dass er sich niederlegte und starb. Das Leid und die Trauer der Eltern waren groß, obwohl er ihnen keine Freuden bereitet hatte, aber wer beschreibt ihr noch größeres Entsetzen, als sie plötzlich nachts nach der Beerdigung neben ihrem Schlafgemach deutlich jemand in der angrenzenden Werkstatt poltern und laut werken hörten! Es wurde ihnen bald klar, dass der unruhige Geist ihres Sohnes im Grabe keine Ruhe finden konnte und jetzt jede Nacht herumspukte. Ihre stille Hoffnung, das würde sich mit der Zeit legen, erfüllte sich leider nicht und so erzählten sie die Geschichte aus lauter Verzweiflung ihrem Pastor.
Der Geistliche hörte sich alles an und riet: "Liebe Leute, wenn in der nächsten Nacht der Spuk sich wieder hören lässt, so rufet dem Geist zu, dass ihr ihm alles Leid vergebet und er wird sicher wieder verschwinden."
Sie befolgten den Rat und tatsächlich verschwand der Spuk für alle Zeiten. Nicht so die schwarzen Füße, die ...
Klaus Schulze mit den schwarzen Füßen
... einst ein Mann namens Klaus Schulze, der, aus welchem Grund auch immer, Klaus Ule (Ule eventuell die Eule) genannt wurde, zeitlebens nicht wieder rein bekam. Er trat als ein Gotteslästerer auf und spottete über die braven Salzwedeler Kirchgänger. Man sagte ihm nach, dass er schon dreizehn Jahre lang nicht in der Kirche zum heiligen Abendmahl gewesen sei.
Irgendwann muss Schulze-Ule es dann doch zu toll getrieben haben mit seiner Gottlosigkeit, jedenfalls bestrafte ihn der Herr für alle Zeit damit, dass seine Füße plötzlich kohlrabenschwarz wurden und sich selbst mit geweihtem Wasser nicht wieder rein waschen ließen.
Der Schreck fuhr dem Sünder bis in die schwarzen Zehen, er kam zur Einsicht, änderte seinen liederlichen Lebenswandel und bekehrte sich wieder zum Gottesglauben.
Wenn auch mit schwarzen Füßen, die trotzdem nicht weiß wurden, aber das ist immer noch besser, so sagten es alle, die davon hörten, als mit einer schwarzen Seele, wie sie sicher der Glockengießer aus Salzwedel hatte, der ....
Der jähzornige Glockengießer aus Salzwedel
.... im Jähzorn seinen Gesellen umbrachte. Die Erinnerung an ihn lebte bis heute fort, denn zwischen Rahde und Wittingen steht ein großer Stein, der Glockenstein genannt wird. Eine Sage berichtet, dass er zur Erinnerung an diese schreckliche Mordtat aufgestellt wurde.
Der Glockengießermeister aus Salzwedel sollte für die Kirche in Wittingen, der Ort gehörte bis 1350 noch zum Territorium der Altmark, eine neue Kirchenglocke fertigen. Er hatte aber schon beim ersten Guss Schwierigkeiten, auch der zweite Versuch schlug fehl. Beim dritten Mal, als alles erneut zum Guss vorbereitet war, fiel ihm plötzlich ein, dass noch einige "wunderbare" Zutaten fehlen würden und er lief hastig in Richtung Salzwedel los, um sie zu holen. Was er für Wundermittel beschaffen wollte, ist nicht überliefert, aber vielleicht hätte ihm selbst ein Wunder nicht wirklich helfen können.
Sein geschickter und aufgeweckter Geselle, der längst wusste, was sein Meister falsch gemacht hatte, ergänzte nun, als er allein war, einfach das Werk und auch ohne Zauberei gelang es ihm, eine prächtige Kirchenglocke herzustellen.
Als der Meister zurück kam und sah, wie sein Geselle den Guss ohne Probleme vollendet und eine richtig prächtige Glocke hergestellt hatte, fand er erst keine Worte, dann packte ihn jedoch rasender Neid und eine gewaltige Wut und ohne lange zu zögern oder zu überlegen erstach er im Jähzorn seinen Gesellen.
Der große Stein an der Mordstelle wird zur Mahnung Glockenstein genannt, es gibt immer wieder große Steine, Findlinge, die Namen bekommen haben und um die sich Geschichten und Sagen ranken. So auch um den Schäferstein im Wendland.
Der bestrafte Schäfer
..In der Nähe von Lübbow lebte einst ein wohlhabender Schäfer, der viele Schafe, aber keine Frau besaß. Er suchte lange, endlich fand er eine, die ihm über alle Maßen gefiel. Doch leider stammte sie aus dem Herrschaftsbereich des Markgrafen von Salzwedel und war eine Christin, er aber war noch ein ungläubiger Heide. Seine Liebe zu ihr war jedoch so groß, dass er sich auf den Rat eines alten Eremiten hin sofort zur christlichen Kirche bekehren ließ. Sagt doch das Sprichwort: Eine Frau zieht mehr als sechs Ochsen! Die heidnischen Götter, die das Wendland damals noch nicht aufgegeben hatten, erzürnten darüber gewaltig und straften ihn, indem sie seine Schafe jämmerlich verenden ließen. Schließlich konnte er seine Frau nicht mehr ernähren und schickte sie zu ihren Eltern zurück. Aus blinder Wut erschlug er dann den Eremiten, der ihm zum Glaubenswechsel geraten hatte und wurde daraufhin von der Erde verschlungen. Welcher Gott dafür verantwortlich war, ist unbekannt. An derselben Stelle stieg jedoch der "Schäferstein", ein mächtiger Stein, aus der Erde empor und erinnert noch heute an diese "Glaubensgeschichte".
Nach einer anderen Version - Sagen haben oft mehrere Eltern! - warf ein heidnischer Gott den gewaltigen Stein auf den Schäfer und tötete ihn, bevor er das christliche Mädchen überhaupt freien konnte.
Egal, wie es sich auch zugetragen hat, der Schäferstein bei Lübbow bezeugt die Geschichte auch ohne viele Worte. Viele Sagen sind oft nur kurze Überlieferungen, manchmal werden sie bei jedem Wiedererzählen umfangreicher. Ähnlich den Flüssen, die durch Kanäle mit Wasser gespeist werden.
Der seltsame Streit um den Dumme-Kanal
Salzwedel liegt an der Jeetze, dem Fluss, der großen Anteil daran hatte, dass die Handels- und Hansestadt einst zu den bedeutendsten der Mark Brandenburg gehörte und sogar einen Hafen besaß. Die vorausschauend denkenden Salzwedeler hatten wohl bereits im 13. Jahrhundert die Dumme, so heißt ein anderer altmärkischer Fluss, geteilt und mit einem Kanalbau von Wieblitz nach Salzwedel geleitet und so unter anderem die Schiffbarkeit der Jeetze verbessert. Nahe der Einmündung lag der Hafen und wird der Bereich noch heute so bezeichnet.
Eine alte Sage lässt uns wissen, dass beim Graben des Dumme-Kanals die gesamten Dorfbewohner der Altmark auf Befehl des Landesherren zum Graben gezwungen werden mussten, weil sie sich gegen diese zusätzliche schwere Arbeit gewehrt hatten. Später, nach Abschluss der Arbeiten, werden sie sicher doch zufrieden gewesen sein, denn die sonst häufigen Überschwemmungen der Viehweiden ließen nach und sie machten eigentlich auch Gewinn aus dieser Sache. Jedenfalls diejenigen, die ihre Weiden im Bereich des Flusslaufes hatten.
Ganz anderen, nämlich unrechtmäßigen Gewinn wollten Salzwedeler einst aus einem Vertrag mit einem Teufel machen, keinem echten, aber einem so benannten Räuberhauptmann. Sein Name taucht ...
Der Teufel von Salzwedel
... in einer Urkunde von 1357 auf. Hier wird ein Vergleich des Markgrafen Ludwig der Römer mit den Bürgern der Neustadt Salzwedel angesprochen: "Den lieben getreuen Rathmannen und gemeinen Bürgern der Stadt wird es verziehen, dass sie einen verfesteten Mann, namens Düvel (Teufel), gegen des Markgrafen Hofleute in Schutz genommen haben."
Eine Sage weiß nun, dass die Neustadt Salzwedel eine namhhafte Summe Geldes zur Strafe zahlen musste, weil sie einen berühmt-berüchtigten Räuber Albrecht Schewenschütt (Scheibenschütze), mit dem Beinamen des Düvel von Soltwedel, in ihren Mauern geduldet, ja sogar bei der Verwertung seines Raubes unterstützt habe. Der Hehler ist genau so zu bestrafen wie der Stehler!
Einer anderen Version nach soll der Räuber sogar für die Salzwedeler Bürger gearbeitet haben. Das würde einem tollen Streich gleich kommen, der eines Eulenspiegels würdig gewesen wäre. Doch der bekannte Narr meldete sich nie aus Salzwedel, aus welchen Gründen auch immer. Obwohl, eine Geschichte gibt es, die beginnt so:
Wie Eulenspiegel drei Schneidergesellen zu Boden fallen ließ
"Als Till Eulenspiegel durch die Altmark zog, kam er auch nach Salzwedel, und da es ihm hier sehr gut gefiel, blieb er eine Woche nach der andern und trieb mit den Bürgern seine Schelmereien."
Dass der bekannte Spaßmacher auch Nachahmer hatte, merkte er bald, denn drei Schneidergesellen in der Altstadt Salzwedel, die ihr Handwerk an heißen Sommertagen vor der Werkstatt auf einer hölzernen Bühne ausübten, neckten Vorübergehende und besonders ihn, wenn er vorbeikam. Schließlich ging ihre Fopperei so weit, dass sie begannen mit Stoffresten und später sogar mit Steinen zu werfen.
Längst hatte Till eine Idee und nun war die Zeit gekommen, die drei übermütigen Gesellen reinzulegen. In der Nacht vor dem nächsten Markttag sägte er heimlich die vier Pfähle an, die die Bühne, auf der sie am Tage ihr Handwerk ausübten, hielten.
Wieder setzten sich die Gesellen am nächsten Morgen auf ihren Platz und genossen den Trubel um sich her, denn der Markt füllte sich mit Händlern und Kauflustigen, Männern, Frauen und Kindern.
Der Schweinehirt begann ebenfalls sein Tagwerk, er blies ins Horn und die Schweinebesitzer ließen ihre Tiere auf die Straße laufen, damit er sie zur Weide treiben konnte. Auch der Schneider öffnete sein Tor und die freigelassenen Tiere scheuerten sich kräftig an den Holzpfosten, wie sie es jeden Morgen taten. Doch diesmal gaben diese nach und krachend stürzte die Bühne zu Boden. Mit den Brettern landeten auch die drei Schneidergesellen im Straßenstaub und Eulenspiegel, der auf diesen Moment gewartet hatte, rief laut: "Seht doch, Leute, da hat der Wind gerade drei Schneider vom Tisch geweht!" Alles lief herbei und lachte und spottete über die sich mühsam aufrappelnden Schneider.
Als diese später die angesägten Pfosten fanden und ahnten, wer hinter der Sache steckte, erkannten sie den Denkzettel, den Till ihnen gegeben hatte und in Zukunft ließen sie ihn und auch die anderen ohne Hohn- und Spottreden oder sogar handfesteren Anwürfen an ihrem Platz vorbeigehen.
Auch wenn man diese Geschichte schon in Bernburg gehört haben sollte, in Salzwedel, wo die Gewandschneidergilde einst eine Macht darstellte, hätte sie natürlich auch passieren können...
Denn passieren kann viel, davon hätte eine Salzwedeler Magd auch viel erzählen können, aber sie fürchtete sich zu sehr.
Die goldenen Kohlen
Salzwedel erhielt im Jahre 1314 das Münzrecht und durfte bis 1488 eigenes Geld schlagen. Die Alte Münze in der Altperverstraße erinnert daran.
Im Nachbarhaus wurde einst ein Waschtag vorbereitet, die Magd sollte nachts aufstehen und den Kessel vorheizen. Das Mädchen fand keine Kohlen vor und ging zum Nachbarhaus, der Münze, die ein Brauhaus geworden war, um sich dort aus dem Ofen ein paar glühende Kohlen zu holen. Doch die Kohlen erloschen in ihrem Ofen, auch der zweite Versuch schlug fehl. Sie wurde ärgerlich und lief ein drittes Mal zum Nachbarhaus. Wieder nahm sie eine Schippe voll Glut, aber als sie das Brauhaus verlies, schlug hinter ihr die Tür von alleine so heftig zu, dass sie beinahe eingeklemmt worden wäre. Im gleichen Augenblick begann die Rathausturmuhr ein Uhr zu schlagen. Sie erschrak und musste plötzlich an Spuk und Zauberei denken. Hastig eilte sie nach Hause, warf Kohlen und Schippe auf den Küchenboden und verkroch sich tief unter der Bettdecke. Am nächsten Morgen war sie kaum aus dem Bett zu kriegen, so müde war sie noch. Schnell lief sie in die Küche, doch da fand sie keine Kohlen mehr vor. Die Herrschaft hatte schon aufgeräumt. Doch wie staunte sie, als sie in der Ecke beim Fegen ein paar goldene Münze entdeckte. Sofort fielen ihr die nicht brennenden Kohlen ein und sie wusste, warum diese bei ihr nicht hatten brennen wollte. Sie hatte in der Gespensterstunde Goldmünzen ins Haus gebracht. Nur sie konnte sich ausmalen, weshalb ihre Herrschaft plötzlich in den kommenden Jahren so wohlhabend wurde. Aber sie wagte nicht, es zu berichten, vielleicht würden sich die wahren Besitzer des Goldes rächen? Sie hatte nur lange eine Riesenwut, wenn sie daran dachte, dass ja eigentlich ihr das Gold gehören müsste.
Womit sich der Sagenkreis schließt und wir mit der "Riesenwut" wieder bei dem Riesen Jan Kahle wären und seinem Steinwurf, mit dem er den Salzwedeler Bürgern das Fürchten lehren wollte.
Viele Wege führen nach Salzwedel... nehmen sie diesen ersten Satz der Salzwedeler Sagen und sagenhaften Geschichten als Einladung, uns zu besuchen. Wir freuen uns auf ihren Besuch und erzählen ihnen gern noch viel viel mehr über unsere "sagenhafte" Stadt.
Literaturquellen und weiterführende Literatur
Sagen aus der Altmark. 1. Sonderheft des Altmarkboten. Salzwedel 1962. Pohlmann, Alfred: Sagen aus der Wiege Preußens und des deutschen Reiches, der Altmark. Neu bearb. u. neu gesammelt von Alfred Pohlmann. Stendal 1901, Reprint 1976 Pohlmann, A.W., Geschichte der Hansestadt Salzwedel..., Halle, 1811. Märkische Sagen und Märchen nebst einem Anhange von Gebräuchen und Aberglauben, gesammelt und hrsgg. von Adalbert Kuhn, Berlin, 1843, Nachdruck von 1973. Neuling, A., Sagen und Legenden der Altmark. Neu erzählt. Salzwedel 1987. Hanns H.F. Schmidt: Das große Sagenbuch der Altmark, Teil 2. Oschersleben 1994. Beranek, J. , Altmärkische Sagengestalten, Altmarkbote, Jahrgang 1958. Beranek, J., Wie Eulenspiegel einmal drei Salzwedeler Schneidergesellen ihren Spott heimzahlte, Altmarkbote, Jg. 1961, Heft 6, S. 178. Altmärkischer Heimatkalender, Salzwedel, 1972-90, mehrere Jahrgänge